Von der Kaiserstrasse zur Alten Bürger

..kein einziger Schritt - sondern ein Lebensweg von Heide Gräfing -Refinger

Meine Freundin Heide konnte mir kein schöneres Adventgeschenk mitbringen als diese Aufzeichnungen ihrer Kaiserstrassen Erinnerungen. Das war 2014 und ich habe zu lange gezögert, bis ich endlich bereit war, sie mit ihnen allen zu teilen.

Kleine Erinnerungssplitter, die Heide zu Papier brachte, dazu Zeichnungen aus ihren Erinnerungen. Sicher werden Sie genau so viel Freunde an ihrer Aufzeichnung haben, wie ich.

1945 waren wir keine heile Familie mehr, schreibt Heide. Der Vater war an der Ostfront von Panzern erschossen worden und die Befreier unserer Stadt haben uns aus der Wohnung vertrieben und alles was sich darin befand und eigentlich uns gehörte, haben sie für sich behalten.

Heide fuhr fort: Die Wohnung unserer Omi in Bremerhaven in der Schleusenstraße war nicht zerstört und so kamen meine Mutter und wir vier Kinder hierher (mit 9 verschiedenen Wagen per Anhalter).

In einem Zimmer hatten wir ein Matratzenlager, auf dem wir alle schliefen. Die übrigen Räume waren, von sogenannten Ami Liebchen, belegt. Sie waren nett. Einmal hat mir eine von diesen Frauen eine Paranuss geschenkt - ich habe die Nuss mit meinen Geschwistern geteilt- sie schmeckte köstlich! Meine Mutter mochte den Duft von Ami-Kaffee- meine Omi genoss den Geruch von gebratenen Eiern!

 

In der Schleusenstraße gab es einen kleinen Milchladen, der hieß Hirte. Mit einem Henkeltopf gingen wir zu Hirte und besorgten einen Liter Milch. Im Laden gab es außer Milch noch Butter, Käse und Quark...sonst nichts.

Meine kleine Schwester lief mit einem bunten Stofffetzen zu Hirte und erzählte, dass ich daraus ein Kleid bekäme, das meine Oma nähen würde. Ich hab mich geschämt. Meine Oma war eine tolle Schneiderin, sie konnte aus allten Wolldecken und abgelegten Klamotten ganz neue Kleidung für uns zaubern.

Über Kastanien und und dem Laden von Meyerholz

Wie oft streiche ich mir heute eine Scheibe Brot bis an den Rand mit Butter, lege noch Schinken, Käse oder Wurst darauf, fläze mich bequem auf das Sofa, lese, rätsel ein Soduko unbd esse nebenbei. Bin dann erstaunt, wenn meine Hand ins Leere greift. Die Stulle ist schon gefutter und ich habe es nicht einmal gemerkt.

Wieviel mehr Wertschätzung erfuhr damals in den Nachkriegshungerjahren die eine zugeteilte Brotscheibe mit hauchdünn gekratzer Butter. Wir schoben mit dem Schneidezähnen behutsam diese Butter vor uns her, bissen ein wenig Brot ab, kauten diesen Bissen zu einem köstlichen Briet( wenn ihr 42mal kaut, werdet ihr davon satter, hat unsere Lehrerin gesagt), schluckten und wiederholten diese Prozedur, bis zuletzt auf dem Stückchen Restbrot alle Butter auf einem Haufen goldgelb  den Happen bedeckte. Dieser fette Happen war der Inbegriff von lustvollem, genußreichem Abendessen.

Vor den großen Kastanien am Zaun der Pestalozzi-Schule an der Wienerstraße gab es eine grüne Holzbude, da wurden Süßigkeiten an die vermögenden Schüler verkauft. In der Pause konnte man da Himbeerbonbons, Lakritzenschlangen, Brausepulver und Salmiakpastillen bekommen, wenn man Geld hatte. Ich hatte keins, aber meine Schulkameradin gab mir einmal Salmiakpastillen ab. Die legte ich zu einem Stern geformt auf den linken Handrücken und leckte mit der Zunge behutsam daran. Der Stern hielt ganz lange und schmeckte wunderbar.