Die Wohnung meiner Omi in der Schleusenstrasse hatte nur zwei helle Räume mit richtigen Fenstern zur Straße. Die anderen Zimmer, die Küche und das Klo gingen zum Lichtschacht raus und waren düster. Die Küche hatte auch einen kleinen Balkon zum Lichtschacht. Da bewahrte man seine Vorräte - wenn man welche hatte- auf. Die Ami-Liebchen hatten Vorräte. Meine Omi, die niemals in ihrem Leben etwas Böses getan hatte, schnitt einmal eine Scheibe vom dicken Speck ab. Das hat mit den Kartoffeln zusammen auch viel besser geschmeckt als mit dem Fischtranfutter.

Wir Kindre bekamen einmal am Tag einen Löffel Tran (pur), was nur mit Nasezuhalten und viel Tapferkeit zu ertragen war.

 

 

 

 

 

Es gab auf dem Weg zu unserem Lieblingsspielplatz -Deich- rechts, bevor man von der Schleusenstrasse kommend kurz vor der Barkhausenstraße, eine Holzbude. Da gab es Eis. Wenn unser Taschengeld -50 Pfennig die Woche- langte, leisteten wir uns einen solchen Luxus und leckten, bis an dem Holzstöckchen aber auch wirklich kein Geschmack von Eis mehr war.

Wenn ich jetzt manchmal Kinder beobachte, die ihren bis an den Rand gefüllten Eisbecher lustlos wegschieben, weil ihnen vom Überfluss fast übel wird, muss ich an den Genuss denken. 'Wohlstand macht nicht glücklicher' . hat meine Mutter gesagt.

In den Keller dieser allten Gründerzeithäuser gelangte man über eine steile Treppe nach unten. Düster und unheimlich war es dort, eine einsame Glühbirne beleuchtete dürftig die Gänge mir den Verschlägen, in denen wir im Winter unsere Kartoffeln lagerten. Aus den Kartoffeln sprossen zum Frühjahr lange grünliche und violette 'Hexenfinger' - sie keimten lediglich. Aber für fantasiebegabte Kinder waren sie das, was man heute in Harry Potter Filmen mit viel schauriger Technik-Inzenierung erreicht. Einfach Grusel-Horror! In diesen Keller wurde einmal mein Bruder gesperrt, als er sehr unartig gewesen war. Eine furchtbare Strafe.