Wenn Steine reden könnten...Erinnerungen von Uwe Meiring

 

Was würden sie von der Kaiserstraße 28 erzählen?

 

Heinrich Theißen, Buchbindermeister, war von 1913 bis zur Ausbombung am 18. September 1944 Inhaber einer Buchbinderei und eines Papierwarengeschäfts mit Buchverkauf in der Bürger 59.

Er eröffnete am 1.12.1944 in der Kaiserstraße 28 wieder sein Geschäft, mit einer Entschädigung von 5000 RM für den ausgebombten Warenbestand. Im Februar 1945 bekam er die zweite Rate von 5000 RM „als Vorauszahlung für die Entschädigung für den gewerbl. Sachschaden“, um wieder Waren kaufen zu können.

1955 erkrankte der nun 71jährige schwer, so dass seine Tochter, die Kontoristin Ilse Kluth, zum 1.1.1956 den Laden übernahm. 1957 bekam Ilse Kluth die Agentur der NWZ. Das bedeutete neue Kunden. So beschloss sie, den Laden zu vergrößern und die Nordwand einzureißen.

Im Januar 1958 erfolgte der Abriss der Trennwand zum Laden nebenan, in der lange Zeit der Friseur Alfred Weber seinen Salon hatte.

Uwe Meiring, ein Enkel von Theißen, half oft im Laden aus. Als Student schildert er den Umbau in seinem Tagebuch:

 

Freitag, 3.01.58. „Durch die Aufnahme der Zeitung viele neue Kunden, auch Annoncen...“ 

 

Sonnabend, 4.01.58: „Inventur und Umräumen: Im Keller und in festen Schränken werden erst langsam, dann immer schneller Waren verstaut. Mit vier Mann um 16 Uhr fast geschafft. Der Rest wird unter Wolldecken verborgen. Dann ertönen Hammerschläge, und die Wand zum benachbarten Laden fällt. Dreck und Dröhnen unvorstellbar. Die Leute der Umgebung erkundigen sich ängstlich. Um 19 Uhr sind die Tischler bei der neuen Tür, die die zwei alten beider Läden ersetzt. Saukälte, auch am Tag, 5-8° C unter Null.“

 

Sonntag, 5.01.58: „Um 16 Uhr wird es ernst; während die Tischler die letzten Leisten schlagen und Kohnert sehr schnell und sauber malt, beginnt der Kampf gegen den Dreck. Der Staub sitzt auch in den geschlossenen Räumen und Schränken. Allmählich bilde ich mich zum Heizer von alten Tapeten und Papier aus. Rissige Hände wie beim Lagerfeuer. Unter nervlicher Hochspannung, durch zwei Riesenwürste und eine übrig gebliebene Flasche Bier angestachelt, wird ganz provisorisch, ohne Schaufenster und ähnliche Raffinessen, der Laden verkaufsfähig gemacht. Um 1 Uhr ist Schluss, alle am Ende der Kräfte, Mutti hat drei Nächte nicht geschlafen. Proteste eines Hausbewohners ob der Ballerei am „frühen“ (= 9 Uhr) Morgen sind nur noch zum Lachen geeignet. Der Laden verspricht sehr schön zu werden.“

 

 

Montag, 6.01.58: „...Im Laden weiter Räumarbeiten, wobei verschiedene Kunden vertröstet werden, weil die Sachen nicht zu finden sind. ...Nachmittags wird weiter aufgeräumt, abends dekoriert. Vorhänge, Sessel, Zeitschriftentisch und erhöhte Ordnung lassen den Laden zu einem Prachtstück werden. Als wir um 20:30 Uhr nach Hause gehen, ist das Hochgefühl der Kauffrau und ihrer Angehörigen, die sich beide, Vati vom Dienst und ich von der Universität, freigemacht hatten, nicht zu übersehen..“